Paul Bokowski und Peter Stamm setzen den literarischen Reigen bei der Erfurter Herbstlese fort.
Gute Bekannte bei der Herbstlese
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Mit Beginn von Woche sechs bewegt sich die diesjährige Erfurter Herbstlese zielstrebig auf das Ende ihrer ersten Halbzeit hin. Dabei treten am Montag und Dienstag zwei gute Bekannte des Festivals im Kultur: Haus Dacheröden und in der Buchhandlung Hugendubel vor ihr Publikum. Das dürfte sich indes in seiner Zusammensetzung unterscheiden. Während sich Paul Bokowski selbst als Autor und Vorleser seit vielen Jahren „zur Speerspitze der deutschen Lesebühnenszene“ gehörig fühlt, setzt Peter Stamm in seinen Büchern eher auf leisere Töne.
In seinem ersten Roman erzählt Bokowski, selbst Kind polnischer Eltern, vom Leben in der Schlesenburg, einer fast komplett von polnischen Familien bewohnten Siedlung am Stadtrand. Im Sommer 1989 ging dort plötzlich die Angst um, Rumänen oder Russlanddeutsche würden dort demnächst in großer Zahl einziehen. Es war das Jahr, in dem das neue Mädchen in die Siedlung zog, als Darius verschwand und die Mutter des Ich-Erzählers nur Konsalik las.
Aus Sicht der Kritiker ein gelungenes Romandebüt, das von Flüchtlingen und ihren Hiergeborenen, von Heimweh und einer neuen Heimat berichtet. Ein warmherziger wie auch bittersüßer Text über den Traum von Anpassung und Wohlstand – und die Frage, wo man hingehört, wenn man noch nicht einmal zu sagen weiß, wo man hergekommen ist.
Auch Peter Stamms Bücher sind voll mit sonderbaren Helden, die meist ein wenig am Leben vorbei existieren und beim Lesen gerade deshalb so faszinieren.
Im Mittelpunkt des neuen Romans steht ein Archivar, der im Zuge der Digitalisierung in den Vorruhestand entlassen wird, es aber schafft, dass ihm der Bestand des Zeitungsarchivs überlassen wird.
Bei der neuen Heimarbeit entgleitet er mehr und mehr der Wirklichkeit und lebt schließlich in seinen eigenen Fantasie- und Erinnerungswelten. Diese dominiert die unstillbare Sehnsucht nach der Jugendliebe Franziska. Sie, die ihm nur einen einzigen Kuss gewährte, ist auch Jahrzehnte später noch lebendig in ihm.
Peter Stamms Buch ist ein behutsam erzählter, melancholisch gefärbter Roman, der große Fragen ohne große Gesten stellt, befindet die Neue Zürcher Zeitung. Habe ich mein Leben verfehlt? Warum habe ich es verfehlt? Gibt es eine Möglichkeit, die Weichen nach so vielen Jahren neu zu stellen? Antworten gibt es im Roman – und bei der Lesung mit dem Autor.
Zu beiden Lesungen gibt es noch Karten.
Peter Stamm
„Das Archiv der Gefühle“
Das vollständige Programm ist auf den Websites der Herbstlese und des Ticketshops Thüringen einzusehen. Tickets können gebucht und gekauft werden im Kultur: Haus Dacheröden, bei Hugendubel am Anger und im Thüringen-Park sowie an allen VVK-Stellen des Ticketshops (Pressehäuser, Tourist-Infos etc.).