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Erfurter Herbstlese
Es lebe die Erfurter Herbstlese!
Okt. 07 2015

Andreas Dorau und Sven Regener im Gewerkschaftshaus

So ist das nun mal

Die Herren Dorau und Regener in Erwartung ihres Auftritts.
Die Herren Dorau und Regener in Erwartung ihres Auftritts.

Wer behauptet, Zeitreisen seien unmöglich? Wahrscheinlich der gleiche Typ, der sicher ist, dass solch ein Mist nimmer im Deutschen Qualitätsfernsehen läuft. Doch was Andreas Dorau da auf der Leinwand im Gewerkschaftshaus zeigt, ist tatsächlich öffentlich-rechtlich konzessioniert. Beziehungsweise war es. Unvorstellbar, dass so etwas heute noch über die Schirme ginge.

Das war damals, vor unserer gemeinsamen Zeit, noch anders. Vor den „Vier plus Zwei“-Verhandlungen wurde drei plus zwei gerechnet. Fünf Programme gab es in der Flimmerkiste. Maximal. Besonders die Dritten Programme waren damals mit einen Kulturauftrag unterwegs, von dem heutige Spartensender nur träumen können. „Das Gruselkabinett“ war eine Institution, und gruselig ist, was da gerade im Gewerkschaftshaus zu sehen ist.

Und natürlich lustig. Obwohl es damals, im Land vor unserer Zeit, bestimmt nicht lustig gemeint war.

Wer die aktuellen Debatten um die Zukunft des Mitteldeutschen Rundfunks verfolgt, wer mit ansieht, wie studentische Beiträge auf Sendeplätze nach Mitternacht verschoben werden, kurz, wer längst diesen Kanal meidet, der wird erstaunt sein, wie anders alles einmal war.

Andreas Dorau weiß davon zu berichten, er hat in diesen goldenen Jahren in München Film studiert. Da war man nah dran, am Bayrischen Rundfunk und seinen Nachbarn im Südwesten. Da ging etwas.

Ähnlich war es später mit der Musik. Noch so eine goldene Zeit, als alles boomte, was Bumm-Bumm machte, als die meisten Liebhaber gepflegter Tanzmusik sich ihre Lieblingsbands noch einmal nach Hause holten, als CD dieses Mal, nicht mehr auf Vinyl. Der Dorau Andreas wieder mittendrin. „So ist das nun mal“ heißen Song und Video aus dem Jahre 1997. So schräg, so cool, so was gibt’s doch nicht.

Gab es – und Dorau zeigt es ja gerade – gibt es immer noch. Alle diese kruden Geschichten, die unfassbaren Aktionen hat er jetzt in seinem Erinnerungsbuch „Ärger mit der Unsterblichkeit“ aufschreiben lassen, von seinem alten Kumpel Sven Regener. Warum? Eine Antwort findet sich auf Seite 119 dieser Schrift. Dort wird erklärt, wie der Meister an seinen Liedern feilt: „Der Text war eher kurz, minimalistisch, dafür sang ich ihn gleich mehrere Male. Ich habe diese Methode, zu Texten zu kommen, später noch oft verwendet.“ Es bedarf keiner großen Einsicht um zu verstehen, dass ein solches Schaffensprinzip eher untauglich für ganze Bücher ist.

Aber wer weiß, Andreas Dorau hat der Menschheit schon ganz andere Sachen untergejubelt. Ein Hauch von „Hurz“ umweht sein Werk. Vielleicht findet der Soundcollagist ja auch dafür eine Lösung. So eine Art „Zettel‘s Albtraum“.

Im Gewerkschaftshaus freut sich das Publikum. Und mit Recht. Lange wurden die Lachmuskeln nicht mehr so strapaziert wie von den Darbietungen des Duos Regener und Dorau. Bei allem Respekt, die Lektüre des Buches ist ein Anfang, sein Kauf der erste Schritt in die richtige Richtung. Aber den ganzen irren Spaß, den gibt es eben nur live.

In einer amerikanischen TV-Serie, die unter Nerds und ihren nicht weniger schrägen Freundinnen spielt (und die natürlich im Privatfernsehen gezeigt wird), gibt es eine kurze Definition für das, was witzig ist. „Weißt du, warum es lustig ist?“, doziert der Ober-Nerd, und antwortet sich selbst: „Weil es wahr ist:“

Das wäre ein schöner Abschluss für einen Bericht über einen Abend, der Grenzen locker überspringt. Der daher so wunderbar in die 19. Ausgabe der Herbstlese und zu ihrem Motto „Alles hat seine Grenzen?“ passt. Aber da ist noch etwas, was gesagt werden muss. Eine Ahnung, die all dem einen Sinn verschafft. Die Lösung (fast) aller Fragen.

Die Antwort kommt mit brachialer Gewalt. Andreas Dorau erinnert unglaublich an Martin Freeman. Den englischen Schauspieler, der den Hobbit gibt und auch den Dr. Watson. Zwei Charaktere also, die im Schatten ihrer großen Freunde stehen, denen man, zunächst, nur wenig zutraut, die belächelt werden. Über die man lacht.

Das ist sie, die gesuchte Erklärung: Unterschätzt den Andreas Dorau nicht!

Andreas Dorau und Sven Regener im Gewerkschaftshaus

Fotos: Uwe-Jens Igel

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