Hans Joachim Schädlich in der Buchhandlung Hugendubel
Zweierlei Übel

Ein Narr, wie stolz das klingt. Oder eher nicht. Die Berufsbezeichnung der Possenreißer und Spaßmacher mag einst ein ehrbarer Beruf gewesen sein, nicht ohne Einfluss bei den hohen Herren. und oft sogar mit der Lizenz zur Wahrheit versehen, doch spätestens die Narreteien des verordneten Frohsinn der lustigen Tage, auch die närrischen genannt, die kollektive Lust am derben Spaß, haben der Profession ihren Glanz genommen.
Wenn er denn dereinst vorhanden war. Hans Joachim Schädlich führt den geneigten Leser zurück in die Zeit, an den Hof August des Starken nach Dresden. Er macht ihn mit Joseph Fröhlich bekannt, des Kurfürsten und Königs Lustiger Rat. Er zeigt, wie es einem ergehen mochte, als Narr und Taschenspieler im blühenden Sachsen.
Den Fröhlich hat es gegeben. Hans Joachim Schädlich hat seinem realen Leben Fiktion beigefügt. So ist es auch nicht die Historie, die im Mittelpunkt seines Interesses steht. Es geht darum, was ein Mensch mit sich geschehen lässt, für Lohn und Brot und ein Haus, das der künftigen Witwe dereinst Sicherheit bieten soll. Die Geschichte ist damit ganz schnell auch beim Hier und im Heute.
Deutlicher wird es noch bei Narr Numero Zwo, dem Herrn Peter Prosch. Der ist, anders als Fröhlich, nicht fest angestellt. Nach jetzigen Maßstäben ein Freiberufler, wie der Autor fein bemerkt. Bei dem geht es noch derber zu. Um seinen Schnitt zu machen, ist er den Launen der Herrschaft völlig ausgeliefert. Mit Haut und mit Haar, das zur Belustigung der Gesellschaft auch mal in Flammen stehen kann.
Doch gegen alle Erniedrigung steht der Gewinn. Prosch verdient nicht schlecht, die gute Kaiserin schenkt ihm gar die nötigen Dukaten für sein erwünschtes Häusel. Im Gegenzug macht der Narr, was er am besten kann: sich zum Narren. Sein Credo überzeugt. „Je mehr ich ertrage, umso größer ist der Ertrag.“
Das kommt dem modernen Menschen nicht gänzlich unbekannt vor. Ist das nicht die Frage, die vor uns allen steht? Wie sehr mache ich mich zum Affen? Lasse mich zum Affen machen? Hauptsache die Bezahlung stimmt? Jeder ist seines Glückes Schmied. Möglich. Doch ob Amboss oder Hammer, das entscheiden oft andere.
Das klingt wie die Wahl zwischen zwei Übeln. In dieser Frage legt sich Hans Joachim Schädlich indes fest. Wie schon in „Kokoschkins Reise“, einem seiner früheren Bücher, formuliert, stellt er den beiden Alternativen eine dritte zur Seite, Charles Haddon Spurgeon zitierend: „Wenn du die Wahl zwischen zwei Übeln hast, wähle keines von beiden.“
Selbst hat der gerade 80 Jahre alt gewordene Schriftsteller sein Leben nach dieser Maxime ausgerichtet. Die moralische Integrität geriet dabei zum festen Fundament seines schriftstellerischen Werkes. Denn vom Ertragen könnte Schädlich auch ein Lied singen; allein von einem Bruder, der die ganze Familie verriet.
Ein Narr der meint, das Leben habe Hans Joachim Schädlich verbittert. So ist er nicht. Mit ihm zusammen zu sein heißt, bis zum nächsten Scherz nicht lange zu warten. Es ist dann auch kein Zufall, dass der Abend mit einem jüdischen Witz endet.
Hans Joachim Schädlich in der Buchhandlung Hugendubel
Fotos: Holger John