Dezember ○ 2023 ○ Sehr zu empfehlen ○ Erfurter Herbstlese

Dez. 08 2023

Vorgestellt von Dr. Axel Lakonen-Schmidt, Jurist und Literaturwissenschaftler

Charles Lewinsky „Rauch und Schall"

Johann Wolfgang von Goethe befällt nach einer Reise eine Schreibblockade, die ihn verzweifeln und in eine Sinnkrise fallen lässt; heutzutage würden wir ein Burnout attestieren. Nicht die kleinste Zeile, nicht der einfachste Reim will ihm mehr einfallen. Die vermeintliche Hilfe, die Goethe eigentlich nicht will, auf die er jedoch dringend angewiesen ist, liegt in der Person seines Schwagers Christian August Vulpius, ebenfalls Schriftsteller und von Goethe verachteter Viel- und Lohnschreiber. Dass ausgerechnet Vulpius zum Therapeuten aufschwingt, ist für Goethe eigentlich undenkbar.

Dez. 07 2023

Vorgestellt von Irena Lüdde, Mitarbeiterin der Erfurter Herbstlese

Carsten Henn „Der Buchspazierer"

Der alte Buchhändler Carl Kollhoff hat sich zur Aufgabe gemacht, seinen Kunden die Bücher persönlich nach Hause zu bringen. Er fühlt sich ihnen und ihrem Leben dadurch verbunden und die Gedanken über die unterschiedlichen Persönlichkeiten, die er für sich mit Personen aus der Literatur verbindet, füllen sein Leben aus. Effi, Mr. Darcy, Dr. Faustus und Herkules sind Bestandteil seiner Welt, genauso, wie das Mädchen Schascha. Gemeinsam lösen sich Probleme leichter und miteinander reden ist, wie die Tür zu neuen Erkenntnissen zu öffnen.

Dez. 06 2023

Vorgestellt von der Filmemacherin Susanne Aßmann

Dominik Graf „Fabian oder Der Gang vor die Hunde"

Dominik Graf hat den Roman „Fabian“ von Erich Kästner, der für seine Zeit schon ungewöhnlich war und bis heute wohl in seiner Bedeutung unterschätzt ist, vermeintlich frei in ein ganz eigenes und ungeheuer filmisches Werk übersetzt. Es ist keine typische Literaturverfilmung und es war auch nie eine auch nur irgendwie typische Literatur. Graf hat daraus einen überraschend warmen und intimen, trotz gewisser Opulenz doch sehr stillen, Film geschaffen, dem Fragen wichtiger zu sein scheinen als Antworten - ein heiterer Tanz auf der Rasierklinge und vermutlich ist es gut, schwimmen zu lernen.

Dez. 05 2023

Vorgestellt von Martina Bucklitsch, Buchliebhaberin

Ewald Arenz „Alte Sorten"

Es klingt wie ein Versprechen. Es ist ein Versprechen. Dieses Buch zieht den Leser in seinen Bann. Diese leise Geschichte kann man nicht aus der Hand legen, der Leser spürt den Wind über den Feldern, er riecht den Saft, der aus den drallen Birnen tropft, er denkt sich in die Gefühlswelt der Frauen. Die ganze Atmosphäre bewegt uns, die Dinge des Lebens neu zu bewerten. Was ist wichtig für ein Leben? Jeder Bücherliebhaber kürt doch immer sein Buch des Jahres. Für mich ist "Alte Sorten" das Buch, was fünf Jahre abdeckt. Ich liebe die Bücher von Ewald Arenz.

Dez. 04 2023

Vorgestellt von Karen Lottegier, Buchhändlerin bei Hugendubel in Erfurt

Vanessa Krypczyk „Die Macht der Worte"

Es gibt Bücher, die den Leser ab dem ersten Satz komplett begeistern. 'Die Macht der Worte' gehört auf alle Fälle dazu. Obwohl die Themen der 15 Kurzgeschichten sehr unterschiedlich sind und manchmal nicht explizit gesagt wird, um was es geht - man befindet sich einfach plötzlich in den Gedanken eines Menschen oder in einer Szene, die aber so schnell wieder vorbei ist, dass man zwar die Emotionen sehr intensiv spüren kann, die Einzelheiten im Verborgenen bleiben - haben sie mich alle sehr berührt. Einige werde ich auch so schnell nicht vergessen. Meiner Meinung nach absolut lesenswert!

Dez. 01 2023

Vorgestellt Lukas Freistedt, Buchhändler bei Hugendubel in Erfurt

Douglas Stuart „Young Mungo"

Der feinfühlige Mungo wächst im Glasgow der 1990iger Jahre auf. Sein Leben ist vor allem von Armut und Gewalt geprägt. Ich war sofort gefangen, gefesselt und entsetzt von dem Umfeld in welchem Mungo gefangen ist. Die alkoholabhängige Mutter wird von Mungo versorgt und beschützt, der ältere Bruder ist schon längst von daheim geflüchtet und zieht den jüngeren Bruder auch noch in Bandenkriege und Straßenkriege hinein, die ältere Schwester wendet sich auch mehr und mehr von Ihrer Familie ab. Mich erinnert der Roman sehr an „Die Asche meiner Mutter“ von Frank McCourt.