Vorgestellt von Alexandra Kehr, Medienreferentin des Theaters Erfurt
Mariana Leky „Was man von hier aus sehen kann“

Gleich vorweg: Dieses Buch ist eines der schönsten, das ich je gelesen habe! Und jedem, der mich nach einem Buchtipp fragt, empfehle ich dieses garantiert auch. Hier und heute habe ich nun wieder einmal Gelegenheit dazu.
Gemeinsam mit Luise, der Erzählerin in Mariana Lekys Roman, reist der Leser in ein kleines Dorf tief im Westerwald, taucht ein in einen offenbar in sich abgeschlossenen Kosmos. Dessen Bewohner werden so liebenswert verschroben und manchmal auch fast zärtlich vorgestellt, dass ich sie nach der letzten Buchseite tatsächlich vermisste und mich noch eine Weile fragte, wie es denen, die nicht gestorben sind, wohl weiter ergangen ist.
Klingt wie ein Märchen, und ein bisschen ist es das auch. Ja, es wird sehr viel gestorben in diesem Buch, und zwar immer dann, wenn Selma von einem Okapi träumt. Selma ist Luises Großmutter und sieht ein bisschen aus wie Rudi Carrell. Das stört den Optiker allerdings überhaupt nicht, denn er ist seit Ewigkeiten in Selma verliebt (was übrigens jeder im Dorf weiß), traut sich aber nicht, ihr das zu gestehen. Überhaupt ist der Optiker ein ganz besonderer Mensch und nicht einfach nur ein Optiker.
Sobald Selma also das Okapi wieder einmal im Traum gesehen und sich das im Dorf herumgesprochen hat, suchen die Bewohner Hilfe bei Elsbeth, die gegen alles ein Hausmittel zu haben scheint. In Anbetracht eines möglichen baldigen Ablebens werden auch die Mundfaulsten plötzlich redselig, offenbaren unerfüllte Wünsche und Lieben, sprechen über tragische Erlebnisse. Manchmal plaudern sie auch Geheimnisse aus, was sie, wenn der Tod sie dann doch noch einmal verschont hat, vielmals bereuen.
Klar, prägnant und humorvoll erzählt Mariana Leky von Schicksalen, Lieben, Fernweh, großen und kleinen Lügen des Alltags. Sie begleitet ihre Figuren über mehrere Jahrzehnte, arbeitet mit Rückblicken und Zeitsprüngen. Mit vielen klugen Gedanken zum Thema Tod und Verlust schafft Leky ein wundervolles, warmherziges Heimatporträt, das manchem Leser vielleicht auch Erinnerungen an seine Kindheit auf dem Land wiederbringt. Bei mir hat das funktioniert, ähnlich wie schon bei „Unterleuten“ von Juli Zeh. Aber das ist schon wieder ein anderes, wirklich auch ganz schönes Buch.
Vorgestellt von Alexandra Kehr, Medienreferentin des Theaters Erfurt und Bücherfreundin
Mariana Leky „Was man von hier aus sehen kann“
Dumont Verlag, 320 Seiten, Hardcover
ISBN 978-3-8321-9839-8
20,00 Euro
Das Buch kann unter diesem Link bei unserem langjährigen
Partner Hugendubel erworben werden.