Vorgestellt von Marlene Borchers, Literaturwissenschaftlerin
Anaïs Meier „Mit einem Fuss draussen"

Der Debütroman der Schweizer Autorin Anaïs Meier erschließt eine Gesellschaft von ihren Rändern her. Gerhard, ein selbsternannter Kommissär, Sozialhilfeempfänger und etwas eigenwilliger Erzähler der Geschichte, findet im See des Stadtparks einen Fuß. Der kann dort natürlich nicht bleiben - Gerhard muss den Frieden im Park wiederherstellen und macht sich daran, den Fall zu lösen. Was klingt wie der ungewöhnliche Start einer Kriminalgeschichte ist eigentlich ein Gesellschaftsbild – der Stadtpark wird nicht vordergründig zum Tatort, sondern zu einer Bühne für die Personen, die sonst keine haben.
Obwohl Gerhard eigentlich eher einsiedlerisch lebt, muss er des Fußes wegen Kontakt zur Außenwelt herstellen: kiffende Jugendliche, korrupte Lokaljournalisten, Angelfischer mitsamt ihrem Vereinspräsidenten, der nur "Krückenpatrick" genannt wird, eine Gruppe von Hundebesitzerinnen, die ihre Hunde nur nachts ausführen, die Parkwächterin Blüehler und ihr Hund und die Ente, mit der sich Gerhard ab und zu unterhält. Dabei ist "Mit einem Fuss draussen" wunderbar schräg und beinahe schon absurd, aber gleichzeitig genau aus dem Leben gegriffen.
Tatsächlich dienten zufällig gefundene Zettel und Onlinekommentare der Autorin als Inspiration für die Charaktere und die Handlung. Trotz aller Absurdität knüpft die Autorin somit an die Realität an, legt ihren Fokus dabei nicht auf einen klassischen Spannungsbogen und die Lösung eines Falls, sondern auf den Menschen und auf die Dinge, die nur auffallen, wenn man genau hinschaut.
Die Sprache, derer sich Meier hier bedient, ist bildhaft, humorvoll und damit das Element, dass die Geschichte von der ersten bis zur letzten Seite zusammenhält. Der eigentliche "Kriminalfall" - wenn man den für einen Krimi eher untypischen Aufbau so bezeichnen möchte - ist hier eigentlich eher Nebensache. Vielmehr geht es um Menschen, gerade um die, die sonst eher selten im Mittelpunkt stehen.
"Mit einem Fuss draussen" ist ein ungewöhnliches Buch, aber egal, ob man es als Kriminalroman oder -parodie lesen möchte, als komisches Werk, als Gesellschaftskritik, -satire oder -bild, es ist und bleibt ein unterhaltsames und lesenswertes Buch.
Vorgestellt von Marlene Borchers, Literaturwissenschaftlerin und Mitarbeiterin der Erfurter Herbstlese
Anaïs Meier „Mit einem Fuss draussen"
Voland & Quist Verlag
ISBN: 9783863912963
20,00 Euro
Das Buch kann unter diesem Link bei unserem langjährigen
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