Vorgestellt von Marlene Borchers, Literaturwissenschaftlerin
Thomas Meyer „Wolkenbruchs Stelldichein“

Motti Wolkenbruch wurde von seiner jüdischen Familie verstoßen. Der Grund: die Liebesbeziehung zu einer Nichtjüdin. Glücklicherweise findet Motti bald Gleichgesinnte, die nicht nur bereit sind, ihn aufzunehmen, sondern mit ihm zusammen an einem großen Ziel arbeiten: die Weltherrschaft! Die Gegenspieler sind hierbei niemand Geringeres als eine übriggebliebene Nazigruppe – die als Geheimwaffe eine attraktive und gerissene Spionin an ihrer Seite haben.
So verrückt und aberwitzig das Buch in seiner Beschreibung klingt, so ist es auch beim Lesen. Meyer verpackt politische Inhalte und Gesellschaftskritik so, dass beim Lesen genug davon übrigbleibt, um darüber nachdenken zu können, die Lektüre aber gleichzeitig kurzweilig und unterhaltsam daherkommt. Die Szenen des Buches sind überspitzt, ironisch und weisen gerade deshalb immer wieder auf die eigentlich sehr ernste Grundproblematik. Meyer fasst die sensible Thematik an keiner Stelle mit Samthandschuhen an; vielmehr treibt er sämtliche Klischees auf die Spitze. Zugleich stößt er an einigen Stellen beunruhigend nah an die Realität – und plötzlich wirken die gesellschaftlichen Entwicklungen gar nicht mehr so verrückt und übertrieben. Gerade wenn der Autor vom Antisemitismus und unserem Umgang mit Andersdenkenden oder Andersglaubenden zu unserem Umgang mit moderner Technik und sozialen Medien kommt, wird sicher der ein oder andere Lesende sich selbst und unsere Realität wiedererkennen. Das Buch ist daher nicht nur als amüsante Lektüre zu Unterhaltungszwecken geeignet, sondern durchaus in der Lage, eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen. Müssen wir unseren Umgang miteinander überdenken? Und wer darf ein Buch, das solche Kontroversen aufweist wie „Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin“, überhaupt schreiben? Die Antworten auf alle Fragen, die das Buch aufwirft, müssen die Lesenden für sich selbst finden – klar ist aber, dass Ernsthaftigkeit selten so viel Spaß gemacht hat wie in diesem Buch.
Vorgestellt von Marlene Borchers, Literaturwissenschaftlerin
Thomas Meyer “Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin”
Diogenes, 288 Seiten, Gebunden
ISBN 978-3257070804
24,00 Euro
Das Buch kann unter diesem Link bei unserem langjährigen
Partner Hugendubel erworben werden.